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Darf ein Vermieter wegen Beleidigungen kündigen?

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Beleidigungen im Mietverhältnis können schwerwiegende Folgen haben - doch nicht jede unfreundliche Äußerung rechtfertigt direkt eine Kündigung. Wann Mieter tatsächlich um ihre Wohnung fürchten müssen und welche Rolle die Schwere der Beleidigung sowie eine vorherige Abmahnung spielen, zeigt ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg.
Eine Frau und ein Mann unterhalten sich vor eine Haustür. Beide haben Unterlagen in den Händen.
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Sachverhalt: Zwei unschöne Äußerungen nach Lärmbelästigung

Ein Berliner Vermieter kündigte seinen Mietern, nachdem diese zwei Mitarbeiter des Vermieters in unschöner Weise bezeichnet hatten. Konkret ging es um folgende Vorfälle:

  1. Die Mieter bezeichneten in einem Faxschreiben an die Vermieterin den zuständigen Objektbetreuer als "faul".
  2. Nach einem als emotional erlebten Telefonat bezeichneten die Mieter eine Mitarbeiterin der Vermieterin auf deren Facebook-Seite als "talentfreie Abrissbirne".

Hintergrund der Auseinandersetzung waren anhaltende Beschwerden der Mieter über Lärmbelästigungen, die von einer Gartenanlage ausgingen. Die Mieter fühlten sich mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen und konnten keine Aktivitäten des Objektbetreuers vor Ort feststellen.

Die Vermieterin kündigte daraufhin das seit 1998 bestehende Mietverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich. Als die Mieter nicht auszogen, erhob die Vermieterin Räumungsklage.

Die rechtliche Auseinandersetzung: Wann ist eine Beleidigung kündigungsrelevant?

Vor Gericht ging es um zwei zentrale Fragen:

  1. Rechtfertigen die Äußerungen eine fristlose Kündigung? Nach § 543 Abs. 1 BGB kann ein Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn dem Kündigenden die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.
  2. Ist zumindest eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt? Nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB kann ordentlich gekündigt werden, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.

Die Vermieterin argumentierte, dass die Beleidigungen ihrer Mitarbeiter einen ausreichenden Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses darstellten. Die Mieter hingegen führten an, dass ihre Äußerungen im Kontext anhaltender Probleme und mangelnder Reaktion auf ihre Beschwerden zu sehen seien.

Die Entscheidung: Nicht jede Beleidigung rechtfertigt eine Kündigung

Das Amtsgericht Charlottenburg (Az.: 216 C 461/14) wies die Räumungsklage der Vermieterin ab. In seiner Begründung stellte das Gericht wichtige Grundsätze auf, die für alle Mietverhältnisse relevant sind:

Zur fristlosen Kündigung:

  • Eine Beleidigung kann grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen.
  • Bei weniger schwerwiegenden Beleidigungen ist jedoch eine vorherige Abmahnung erforderlich.
  • Die beiden Bezeichnungen "faul" und "talentfreie Abrissbirne" wurden als "eher weniger schwerwiegend" im Spektrum möglicher Beleidigungen eingestuft.
  • Beide Äußerungen enthielten einen - aus Sicht der Mieter - wahren Tatsachenkern und zielten nicht hauptsächlich auf eine Herabwürdigung ab.

Zur ordentlichen Kündigung:

  • Für eine ordentliche Kündigung muss eine "nicht unerhebliche" Pflichtverletzung vorliegen.
  • Die Äußerungen der Mieter erreichten diesen Schweregrad nicht.
  • Zu berücksichtigen war auch, dass auf der Facebook-Seite der Vermieterin bereits zahlreiche, zum Teil heftige Beschwerden anderer Mieter standen, was den Eindruck erwecken konnte, dass die Vermieterin solche Äußerungen nicht als kündigungsrelevant betrachten würde.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil enthält wichtige Hinweise für Mieter und Vermieter:

Für Mieter:

  • Vorsicht bei emotionalen Äußerungen: Auch wenn Sie sich über Ihren Vermieter oder dessen Mitarbeiter ärgern, sollten Sie auf beleidigende Äußerungen verzichten. In schwereren Fällen als dem vorliegenden könnten solche Äußerungen durchaus eine Kündigung rechtfertigen.
  • Sachlichkeit wahren: Formulieren Sie Ihre Beschwerden stets sachlich und dokumentieren Sie den Anlass Ihrer Beschwerde. Im vorliegenden Fall half den Mietern, dass ihre Äußerungen einen - aus ihrer Sicht - wahren Tatsachenkern hatten.
  • Kommunikationskanäle bedenken: Bedenken Sie, dass Äußerungen in sozialen Medien oder schriftlichen Mitteilungen dokumentiert sind und gegen Sie verwendet werden können.

Für Vermieter:

  • Abmahnpflicht beachten: Bei weniger schwerwiegenden Beleidigungen ist eine vorherige Abmahnung erforderlich, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann.
  • Gesamtkontext berücksichtigen: Gerichte prüfen auch, ob den Äußerungen ein berechtigtes Anliegen des Mieters zugrunde liegt, das möglicherweise nicht angemessen bearbeitet wurde.
  • Auf eigene Außendarstellung achten: Wenn Sie als Vermieter in sozialen Medien kritische Kommentare stehen lassen, kann dies den Eindruck erwecken, dass Sie bestimmte Äußerungen tolerieren.

Dieses Urteil zeigt: Im Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz der persönlichen Ehre kommt es stets auf den Einzelfall und eine sorgfältige Abwägung aller Umstände an. Nicht jede unschöne Äußerung rechtfertigt den Verlust der Wohnung - besonders dann nicht, wenn ihr ein konkreter Missstand zugrunde liegt.

Quelle: Amtsgericht Charlottenburg, Urteil vom 30.01.2015, Az.: 216 C 461/14

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