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Bunte Wände bei Auszug - Müssen Mieter streichen?

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Viele Mietverträge enthalten Klauseln zu sogenannten "Schönheitsreparaturen". Doch was passiert, wenn ein Mieter die Wände in bunten Farben streicht und der Vermieter diese nach Auszug neu streichen lässt? Muss der Mieter dafür aufkommen? Das Amtsgericht Hanau hat in einem aktuellen Urteil hierzu eine wichtige Entscheidung getroffen.
Arbeiter streicht Wände
Bild von Laura Shaw auf Pixabay

Der Sachverhalt: Bunte Wände und ein unzufriedener Nachmieter

Zwischen den Parteien bestand vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2023 ein Mietverhältnis. Bei der Rückgabe der Wohnung stellte der Vermieter fest, dass die Wände in bunten Farben (gelb, grün und rosa) gestrichen waren. Der Nachmieter verweigerte daraufhin die Annahme der Wohnung zum 1. Juli 2023.

Der Vermieter forderte die Mieter auf, die Wände neu zu streichen. Als diese ablehnten, ließ er die Wände selbst mit weißer Farbe streichen und stellte den Mietern dafür Kosten in Höhe von 4.724,30 Euro in Rechnung. Zusätzlich verlangte er einen Mietausfall für Juli 2023 in Höhe von 750 Euro, da die Wohnung erst am 26. Juli 2023 an den Nachmieter übergeben werden konnte.

Die Mieter weigerten sich zu zahlen und argumentierten, die Wohnung sei ihnen bereits in bunten Farben übergeben worden. Außerdem hätten sie keine Beschädigungen an der Mietsache vorgenommen.

Die zentrale Rechtsfrage

Im Kern ging es um die Frage: Kann ein Vermieter die Kosten für das Überstreichen bunter Wände vom Mieter verlangen, wenn im Mietvertrag Klauseln zu Schönheitsreparaturen enthalten sind?

Die Entscheidung des Amtsgerichts Hanau

Das Amtsgericht Hanau wies die Klage des Vermieters ab. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit mehreren wichtigen Punkten:

  1. Unwirksamkeit der Renovierungsklauseln im Mietvertrag:

    "Die Verwendung auch weicher Renovierungsfristen für Schönheitsreparaturen von drei, fünf und sieben Jahren ist bei nach Februar 2008 geschlossenen Mietverträgen unzulässig und führt zur Unwirksamkeit der Klausel."

    Das Gericht stellte fest, dass die im Mietvertrag enthaltenen Fristen für Renovierungen (3, 5 und 7 Jahre) zu kurz waren. Nach aktueller Rechtsprechung müssten bei neueren Mietverträgen längere Fristen (5, 8 und 10 Jahre) angesetzt werden.
  2. Rücksichtnahmepflicht des Mieters: Grundsätzlich gilt: Mieter müssen aufgrund ihrer Rücksichtnahmepflicht die Wohnung in einem Zustand zurückgeben, der eine Weitervermietung ermöglicht - dazu gehört in der Regel eine Dekoration in hellen, neutralen Farben. Dies gilt jedoch nur, wenn der Mieter die Wohnung selbst in einem solchen Zustand übernommen hat.
  3. Unrenovierte Übergabe der Wohnung: Im Mietvertrag war festgehalten, dass die Wohnung unrenoviert übergeben wurde. Der Vertrag enthielt sogar eine Klausel, die den Mieter verpflichtete, die Wohnung bei Einzug selbst zu streichen. Damit waren die Voraussetzungen für eine Rückgabe in neutralen Farben nicht gegeben.
  4. Anrechnung ersparter Renovierungskosten: Ein besonders wichtiger Punkt in der Entscheidung:

    "Stehen dem Vermieter Schadensersatzansprüche gegen den Mieter aufgrund eines vertragswidrigen Zustands der Mietsache zu, muss er sich, wenn die Schönheitsreparaturen nicht oder nicht wirksam auf den Mieter abgewälzt wurden, diejenigen Kosten anrechnen lassen, die er mangels eigener Renovierungsarbeiten im laufenden Mietverhältnis erspart hat."

    Das Gericht berechnete, dass der Vermieter während der gesamten Mietdauer von über 13 Jahren keine Renovierungsarbeiten durchgeführt hatte. Die ersparten Kosten wurden auf insgesamt 13.497,50 Euro geschätzt - deutlich mehr als die geforderten 4.724,30 Euro für den Neuanstrich.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

  1. Für Mieter:
    • Wenn Sie eine unrenovierte Wohnung übernommen haben, müssen Sie diese nicht in neutral gestrichenen Wänden zurückgeben.
    • Auch wenn Ihr Mietvertrag eine Klausel zu Schönheitsreparaturen enthält, ist diese möglicherweise unwirksam.
    • Besonders bei Mietverträgen, die nach Februar 2008 geschlossen wurden, sind Renovierungsfristen von 3, 5 und 7 Jahren zu kurz und machen die Klausel unwirksam.
  2. Für Vermieter:
    • Überprüfen Sie die Renovierungsklauseln in Ihren Mietverträgen. Bei nach Februar 2008 geschlossenen Verträgen sollten die Fristen 5, 8 und 10 Jahre betragen.
    • Bedenken Sie: Wenn Sie während der Mietzeit keine eigenen Renovierungsarbeiten durchgeführt haben, müssen Sie sich diese ersparten Kosten bei einem Schadensersatzanspruch anrechnen lassen.
    • Eine farbige Gestaltung der Wände durch den Mieter kann nur dann als Schaden geltend gemacht werden, wenn die Wohnung zuvor in neutralen Farben übergeben wurde.

Fazit

Das Urteil stärkt die Rechte von Mietern bei der farblichen Gestaltung ihrer Wohnungen und setzt Vermietern Grenzen bei der Durchsetzung von Renovierungskosten. Es zeigt, wie wichtig es ist, den Zustand der Wohnung bei der Übergabe genau zu dokumentieren und die Wirksamkeit von Klauseln im Mietvertrag zu prüfen.

Vor allem macht es deutlich: Wenn ein Vermieter während der gesamten Mietdauer keine Renovierungsarbeiten durchführt, kann er nach dem Auszug nicht einfach alle Kosten auf den Mieter abwälzen - selbst wenn bunte Wände vorhanden sind.


Quelle: AG Hanau, Urteil vom 29.11.2024 - 32 C 265/23

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