Brandschaden in Gewerberäumen: Wann Mieter trotzdem zahlen müssen


Der Fall aus der Praxis
Ein Restaurantbetreiber mietete 2014 Räume für sein asiatisches Restaurant. Der umfangreiche Mietvertrag übertrug dem Mieter weitreichende Pflichten: Er musste die Räume von einer Ladenpassage zum Restaurant umbauen, alle Elektroinstallationen erneuern und für die komplette Instandhaltung sorgen. Im Gegenzug erhielt er einen reduzierten Mietzins.
2019 ereignete sich das Unglück: Ein Brand brach aus und machte das Restaurant unbenutzbar. Ursache waren überlastete Mehrfachsteckdosenleisten im Thekenbereich. Der Mieter stellte daraufhin die Mietzahlungen ein und berief sich auf sein Recht zur Mietminderung wegen Mangels der Mietsache.
Die zentrale Rechtsfrage: Wer trägt das Risiko?
Der Streit drehte sich um eine grundsätzliche Frage: Muss ein Vermieter Mängel beseitigen, auch wenn sie durch den Mieter verursacht wurden?
Der Mieter argumentierte: Nach einem Brand sei das Restaurant nicht mehr nutzbar. Dies stelle einen Mangel dar, der zur Mietminderung bis hin zum vollständigen Wegfall der Mietzahlungspflicht berechtigt. Der Vermieter müsse den ursprünglichen Zustand wiederherstellen.
Der Vermieter verwies auf die Vertragsgestaltung: Der Mieter habe umfassende Instandhaltungspflichten übernommen und sei für alle von ihm vorgenommenen Installationen verantwortlich.
OLG-Entscheidung: Vertragliche Risikoverteilung ist entscheidend
Das Oberlandesgericht Frankfurt gab dem Vermieter Recht und stellte wichtige Grundsätze auf:
Grundsatz: Vermieter muss Mängel beseitigen
"Entsteht während der Mietzeit ein Mangel der Mietsache, schuldet der Vermieter grundsätzlich dessen Beseitigung unabhängig davon, ob die Mangelursache in seinem eigenen oder im Gefahrenbereich des Mieters zu suchen ist."
Diese Regel gilt auch bei Gewerberäumen: Normalerweise muss der Vermieter dafür sorgen, dass gemietete Räume in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand bleiben.
Ausnahme: Wirksame Übertragung der Instandhaltung
Im konkreten Fall hatte jedoch der Mieter vertraglich umfassende Instandhaltungspflichten übernommen:
- Kompletter Umbau von der Ladenpassage zum Restaurant auf eigene Kosten
- Verantwortung für alle Elektroinstallationen
- Verpflichtung zur fachgerechten Ausführung durch Spezialfirmen
- Übernahme aller Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten
Keine Mietminderung bei eigenem Verschulden
Entscheidend war: Der Brand entstand durch die vom Mieter installierten Mehrfachsteckdosenleisten. Da die Schadensursache seinem Verantwortungsbereich zuzuordnen war, konnte er sich nicht auf Mietminderung berufen.
"Die Minderungsbefugnis des Mieters ist ausgeschlossen, wenn er die Mangelbeseitigung schuldhaft verhindert oder der Mangel seinem Verantwortungsbereich entstammt."
Besonderheiten bei Gewerberaummieten
Das Urteil zeigt wichtige Unterschiede zwischen Wohn- und Gewerberaummieten auf:
Weitgehende Vertragsfreiheit
Bei Gewerberäumen können Vermieter und Mieter die gesetzliche Risikoverteilung weitgehend abändern. Üblich sind Vereinbarungen über:
- Umfassende Instandhaltungspflichten des Mieters
- Übernahme von Umbau- und Modernisierungskosten
- Verantwortung für technische Installationen
"Sphärentheorie" bei ungeklärter Schadensursache
Bleibt die Brandursache ungeklärt, entscheidet die Zuordnung zu den Verantwortungsbereichen:
- Mieterbereich: Alle vom Mieter eingebrachten oder installierten Gegenstände
- Vermieterbereich: Bausubstanz und fest installierte Gebäudetechnik
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Gewerbemieter:
- Verträge genau prüfen: Achten Sie darauf, welche Instandhaltungspflichten Sie übernehmen
- Risikobewertung: Umfassende Pflichten bedeuten auch umfassende Haftungsrisiken
- Versicherung: Schließen Sie ausreichende Betriebshaftpflicht- und Inhaltsversicherungen ab
- Fachgerechte Ausführung: Lassen Sie alle Installationen nur von Fachfirmen durchführen
Für Vermieter:
- Klare Vertragsgestaltung: Definieren Sie präzise, wer für welche Bereiche verantwortlich ist
- Dokumentation: Halten Sie den ursprünglichen Zustand der Räume schriftlich fest
- Versicherungsschutz: Ihre Gebäudeversicherung deckt möglicherweise nicht alle Schäden ab
Praktische Konsequenzen:
- Auch bei unbewohnbaren Räumen kann die Mietzahlungspflicht fortbestehen
- Vertragliche Risikoverteilung geht vor gesetzlichen Regelungen
- Bei Brandschäden ist die Ursachenermittlung entscheidend
- Präventive Maßnahmen sind wichtiger als nachträgliche Haftungsdiskussionen
Vorsicht bei Instandhaltungsklauseln
Das Urteil zeigt: Wer als Gewerbemieter umfassende Instandhaltungspflichten übernimmt, trägt auch das entsprechende Risiko. Dies gilt selbst dann, wenn:
- Der Schaden unverschuldet entsteht
- Die Räume völlig unbenutzbar werden
- Erhebliche Wiederherstellungskosten anfallen
Fazit: Bei Gewerberaummieten sollten beide Vertragsseiten die Risikoverteilung bewusst gestalten und entsprechend versichern. Mieter müssen sich darüber im Klaren sein, dass weitreichende Instandhaltungspflichten auch bei unverschuldeten Schäden zu fortbestehenden Mietzahlungspflichten führen können.
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 11.10.2024, Az. 2 U 112/22
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