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Bodenschwellen auf Privatstraßen: Das müssen Sie wissen

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Wer kennt sie nicht – die kleinen Huckel auf Privatstraßen, die uns zum Abbremsen zwingen? Was für manche ein Ärgernis ist, dient für andere der Verkehrssicherheit. Doch dürfen Eigentümer solche Bodenschwellen überhaupt auf Privatwegen anbringen, wenn Nachbarn ein Wegerecht besitzen? Das Kammergericht Berlin hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass Bodenschwellen grundsätzlich zulässig sind, auch wenn sie die Zufahrt für Nachbarn erschweren.

Der Sachverhalt: Ein Nachbarschaftsstreit eskaliert

Im vorliegenden Fall stritten Nachbarn um eine etwa 190 Meter lange Privatstraße. Die Straße gehört den Beklagten, die Kläger haben ein Wegerecht, um zu ihrem Grundstück zu gelangen. Über 20 Jahre lang konnten die Kläger die Straße ohne Hindernisse befahren. Doch dann installierten die Eigentümer acht Bodenschwellen in einem Abstand von jeweils 13-14 Metern.

Die Kläger empfanden diese Maßnahme als erhebliche Beeinträchtigung ihres Wegerechts. Sie forderten die Beseitigung der Bodenschwellen und klagten. Zudem spielten im Verfahren Überwachungskameras am Carport der Beklagten eine Rolle – die Kläger befürchteten, dass die Kameras auf die Privatstraße gerichtet seien und sie unter Beobachtung stünden.

Die zentralen Streitpunkte

Der Fall drehte sich um mehrere rechtliche Fragen:

  1. Dürfen Eigentümer auf ihrem Privatweg Bodenschwellen anbringen, wenn andere ein Wegerecht haben?
  2. Inwieweit müssen Berechtigte eines Wegerechts Einschränkungen hinnehmen?
  3. Wann sind Überwachungskameras auf einem Privatgrundstück für Nachbarn unzumutbar?

Die Kläger argumentierten, dass die Bodenschwellen ihr Wegerecht erheblich beeinträchtigten und dass das Anbringen von Straßenschwellen gemäß § 45 StVO ausschließlich der Straßenverkehrsbehörde vorbehalten sei. Zudem seien die Schwellen für ältere Besucher mit Rollatoren oder Rollstühlen ein unzumutbares Hindernis.

Die Beklagten hingegen beriefen sich auf ihr Eigentumsrecht und ihr Interesse, dass auf ihrem Grundstück eine angemessene Geschwindigkeit eingehalten wird.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Berlin wies die Klage ab, und das Kammergericht bestätigte diese Entscheidung. Die Richter stellten fest:

"Der Eigentümer eines mit einer Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks kann weiterhin über sein Grundstück in der ihm richtig erscheinenden Weise verfügen, solange dadurch nicht die Grunddienstbarkeit mehr als unerheblich beeinträchtigt wird."

Das Gericht führte eine Interessenabwägung durch und kam zu dem Schluss, dass das Interesse der Beklagten an der Einhaltung einer angemessenen Geschwindigkeit das Interesse der Kläger an einer unbeeinträchtigten Ausübung ihres Wegerechts überwiegt.

Die Richter stellten klar, dass die Bodenschwellen keine wesentliche Beeinträchtigung darstellen, sondern lediglich zu einer Verlangsamung der Fahrt und zu Erschütterungen in einem zumutbaren Rahmen führen. Diese Beeinträchtigungen müssten die Kläger hinnehmen.

Zur Frage der Überwachungskameras entschied das Gericht, dass kein Anspruch auf Entfernung besteht. Die Kameras waren offenbar nur auf das Grundstück der Beklagten ausgerichtet, und eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger war nicht nachweisbar.

Die Begründung im Detail

Das Gericht stützte seine Entscheidung auf mehrere zentrale Überlegungen:

1. Grunddienstbarkeit und Eigentumsrecht

Grundsätzlich muss der durch das Wegerecht Verpflichtete die ungehinderte Nutzung des Weges ermöglichen. Jedoch findet das Wegerecht seine Schranken in § 1020 BGB. Danach muss der Berechtigte in Ausübung seines Rechts das Interesse des Eigentümers tunlichst schonen.

Das bedeutet: Der Eigentümer darf sein Grundstück weiterhin gestalten, solange die Dienstbarkeit nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Es besteht kein Anspruch auf eine hundertprozentig ebene Zufahrt.

2. Verhältnismäßigkeit der Bodenschwellen

Das Gericht befand, dass Bodenschwellen ein bewährtes und zweckmäßiges Mittel sind, um Verkehr zu einer Geschwindigkeitsreduktion anzuhalten. Die Maßnahme der Beklagten war:

  • Geeignet: Bodenschwellen reduzieren effektiv die Geschwindigkeit
  • Erforderlich: Auch ohne konkrete Gefahrensituationen in der Vergangenheit dürfen Eigentümer der abstrakten Gefahr eines Fahrens mit überhöhter Geschwindigkeit vorbeugen
  • Verhältnismäßig: Acht Schwellen auf 190 Metern sind angemessen, um den Zweck zu erfüllen

3. Zumutbarkeit für Verkehrsteilnehmer

Das Gericht stellte fest:

"Fußgänger, Radfahrer und Fahrzeugführer haben die mit der Überwindung von maßvollen Bodenschwellen verbundenen Beeinträchtigungen im Grundsatz hinzunehmen."

Die Bodenschwellen waren durch rot-weiße Markierung deutlich erkennbar und konnten von allen Verkehrsteilnehmern überwunden werden:

  • Fahrzeuge konnten die Straße mit geringerer Geschwindigkeit befahren
  • Fußgänger konnten jede Schwelle prinzipiell mit einem Schritt übersteigen
  • Rollstühle, Rollatoren oder Kinderwagen ließen sich generell über die Schwellen rollen

Das Gericht erkannte zwar an, dass bestimmte Personengruppen wie ältere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen besondere Schwierigkeiten haben könnten. Dies führe aber nicht zu einem Beseitigungsanspruch, sondern höchstens zu einem Anspruch auf geeignete Abhilfemaßnahmen.

4. Zur Frage der Überwachungskameras

Das Gericht stellte fest, dass die Kameras vornehmlich den Carport der Beklagten erfassten. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Kläger lag nicht vor, da:

"Ein Anspruch auf Entfernung von Überwachungskameras besteht nicht, wenn die Sorge eines Nachbarn, vermeintlich überwacht zu werden, allein auf einem Nachbarschaftsstreit beruht, ohne dass objektive Anhaltspunkte diesen Verdacht belegen."

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Das Urteil des Kammergerichts Berlin hat wichtige Auswirkungen für Eigentümer und Berechtigte von Wegerechten:

  1. Für Grundstückseigentümer: Sie dürfen Ihre Privatstraße grundsätzlich gestalten und auch verkehrsberuhigende Maßnahmen wie Bodenschwellen anbringen, solange diese verhältnismäßig sind und das Wegerecht nicht wesentlich beeinträchtigen.
  2. Für Inhaber von Wegerechten: Sie müssen zumutbare Einschränkungen bei der Ausübung Ihres Rechts hinnehmen. Ein Anspruch auf eine völlig ebene oder hindernisfreie Zufahrt besteht nicht.
  3. Für alle Verkehrsteilnehmer: Die mit der Überwindung von maßvollen Bodenschwellen verbundenen Beeinträchtigungen sind grundsätzlich hinzunehmen. Verkehrsteilnehmer mit besonderen Anforderungen können allenfalls verlangen, dass ihren Anliegen durch gesonderte Maßnahmen Rechnung getragen wird.
  4. Für Nachbarn mit Sorge vor Videoüberwachung: Ein bloßer Verdacht auf Überwachung reicht für einen Unterlassungsanspruch nicht aus. Es müssen objektive Anhaltspunkte vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts belegen.

Dieses Urteil verdeutlicht, dass bei nachbarrechtlichen Streitigkeiten stets eine Interessenabwägung im Einzelfall erfolgen muss. Dabei gilt der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme – sowohl für Eigentümer als auch für Berechtigte.

Quelle: KG Berlin, Beschluss vom 14.03.2025 - 21 U 202/24

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