Zum Hauptinhalt springen

AGB-Klausel zur Verjährung von Schadenersatzansprüchen unwirksam

Der beste Anwalt für Mietrecht
Vermieter können die gesetzliche Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche nicht einfach per Mietvertrag verlängern. Das Landgericht Kiel hat eine entsprechende Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als unwirksam eingestuft.
Holzschreibtisch mit Büchern und Unterlagen und einem Richterhammer
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall aus der Praxis

Eine Vermieterin hatte in ihrem Formularmietvertrag für einen Ladenraum eine besondere Klausel aufgenommen. Diese besagte, dass ihre Ansprüche auf Schadenersatz wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache erst nach zwölf Monaten verjähren sollten - statt der gesetzlich vorgesehenen sechs Monate.

Als der Mieter den Ladenraum im Juli 2022 zurückgab, stellte die Vermieterin angeblich erhebliche Schäden fest, insbesondere an den Fliesen. Sie behauptete, eine vollständige Erneuerung des Fußbodens sei erforderlich geworden. Daraufhin klagte sie auf Schadenersatz in Höhe von über 21.000 Euro.

Die rechtliche Ausgangslage

Gesetzliche Verjährung nach § 548 BGB

Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt die Verjährung von Schadenersatzansprüchen des Vermieters sehr präzise. Nach § 548 BGB verjähren Ansprüche wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache bereits nach sechs Monaten. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Vermieter die Sache zurückerhält.

Diese kurze Verjährungsfrist ist bewusst gewählt. Sie soll sowohl dem Vermieter als auch dem Mieter Rechtssicherheit verschaffen. Der Vermieter hat ausreichend Zeit, Schäden zu dokumentieren und Ansprüche geltend zu machen. Der Mieter wiederum kann sich darauf verlassen, dass nach sechs Monaten keine Forderungen mehr auf ihn zukommen.

Der Streit um die Verjährungsklausel

Verlängerung der Frist auf zwölf Monate

Die Vermieterin hatte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegt, dass die Verjährungsfrist für ihre Schadenersatzansprüche zwölf Monate betragen sollte. Dies entspricht einer Verdoppelung der gesetzlichen Frist. Mit dieser Klausel wollte sie sich offensichtlich mehr Zeit für die Geltendmachung ihrer Ansprüche verschaffen.

Der Mieter widersprach dieser Verlängerung und berief sich auf die Verjährung nach der gesetzlichen Sechsmonatsfrist. Da die Vermieterin erst im Juni 2023 Klage erhob - also fast ein Jahr nach der Rückgabe der Mietsache - wären ihre Ansprüche nach der gesetzlichen Regelung bereits verjährt gewesen.

Die Entscheidung des Gerichts

Unwirksamkeit der AGB-Klausel

Das Landgericht Kiel gab dem Mieter recht und wies die Klage vollständig ab. Die Richter stellten fest, dass die Klausel zur Verlängerung der Verjährungsfrist unwirksam ist. Sie stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar und verstößt damit gegen § 307 BGB.

Unangemessene Benachteiligung liegt vor

Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einseitig seine eigenen Interessen durchsetzt, ohne die berechtigten Belange des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen. Genau dies war hier der Fall.

Die Klausel steht im Widerspruch zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 548 BGB. Diese Vorschrift berücksichtigt die Interessen beider Parteien in ausgewogener Weise. Eine formularmäßige Abweichung ist daher nur zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt und maßvoll ist.

Warum die Verlängerung nicht gerechtfertigt ist

Sechs Monate sind ausreichend

Das Gericht sah keine sachliche Rechtfertigung für die Verlängerung der Verjährungsfrist. Ein Vermieter wird mit der Rückgabe der Mietsache in die Lage versetzt, sich innerhalb von sechs Monaten Klarheit über mögliche Ansprüche zu verschaffen. Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht innerhalb der gesetzlichen Frist möglich sein sollte.

Schutz der Mieterinteressen

Die kurze Verjährungsfrist schützt auch die berechtigten Interessen des Mieters. Nach der Rückgabe der Mietsache hat er keinen Einfluss mehr auf diese und kann keine beweissichernden Feststellungen mehr treffen. Je länger die Verjährungsfrist, desto schwieriger wird es für ihn, sich gegen unberechtigt erhobene Ansprüche zu verteidigen.

Zudem nimmt das Erinnerungsvermögen möglicher Zeugen mit der Zeit ab. Eine zeitnahe Abwicklung liegt daher im Interesse aller Beteiligten.

Kein Unterschied zwischen Wohn- und Gewerberaummiete

Gleiche Interessenlage

Das Gericht stellte ausdrücklich fest, dass zwischen Wohn- und Gewerberaummiete insoweit kein Unterschied besteht. Die Vorschrift des § 548 BGB ist nicht spezifisch für Wohnraummiete konzipiert, sondern gilt für alle Mietverhältnisse.

Auch bei der Gewerberaummiete haben beide Parteien ein berechtigtes Interesse an einer zeitnahen Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Der gewerbetreibende Mieter ist ebenso schutzbedürftig wie ein Wohnungsmieter, da er nach der Rückgabe der Mietsache ebenfalls keine beweissichernden Feststellungen mehr treffen kann.

Bestätigung durch das Oberlandesgericht

Die Entscheidung des Landgerichts Kiel wurde vom Oberlandesgericht Schleswig bestätigt. Damit ist die Rechtslage eindeutig geklärt: Eine Verlängerung der Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche des Vermieters in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Vermieter

Als Vermieter können Sie sich nicht darauf verlassen, dass Sie durch eine entsprechende Klausel im Mietvertrag mehr Zeit für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen erhalten. Die gesetzliche Sechsmonatsfrist des § 548 BGB gilt uneingeschränkt.

Schnelle Schadensdokumentation ist entscheidend

Dokumentieren Sie daher alle Schäden unmittelbar nach der Rückgabe der Mietsache. Erstellen Sie Fotos, holen Sie Kostenvoranschläge ein und machen Sie Ihre Ansprüche zeitnah geltend. Nur so können Sie vermeiden, dass Ihre Ansprüche verjähren.

Für Mieter

Als Mieter können Sie sich darauf verlassen, dass Schadenersatzansprüche Ihres Vermieters nach sechs Monaten verjährt sind. Entsprechende Verlängerungsklauseln in Mietverträgen sind unwirksam und müssen von Ihnen nicht beachtet werden.

Eigene Dokumentation empfehlenswert

Dennoch ist es ratsam, den Zustand der Mietsache bei der Rückgabe selbst zu dokumentieren. Bestehen Sie auf ein gemeinsames Übergabeprotokoll und fertigen Sie eigene Fotos an. So können Sie sich bei späteren Streitigkeiten besser verteidigen.

Rechtsschutz auch nach der Miete

Auch nach Beendigung des Mietverhältnisses sollten Sie sich nicht vorschnell auf Vergleiche einlassen, wenn Ihr Vermieter Schadenersatzansprüche geltend macht. Prüfen Sie zunächst, ob diese nicht bereits verjährt sind.

Quelle: LG Kiel, Urteil vom 24.01.2024 - 10 O 90/23; OLG Schleswig, Beschluss vom 28.05.2024 - 12 U 14/24

Kontaktieren Sie uns!

Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.


Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Portrait der besten Anwälte von Essen

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.


Unsere digitale Kanzlei

Kind sitzt im Chefsessel und bedient ein Mobiltelefon

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.

Erfahrungen & Bewertungen zu JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

kostenlose Ersteinschätzung

Wartebereich der JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.


Das könnte Sie auch interessieren:

19. Mai 2024
Vermieter stehen manchmal vor der Herausforderung, dass sie berechtigte Gründe haben, ein Mietverhältnis zu beenden, und dennoch auf Hindernisse st...
01. April 2024
Die Kündigung eines Mietverhältnisses durch den Vermieter kann viele Gründe haben, doch einer der häufigsten und zugleich komplexesten ist die Eige...
18. Juli 2023
Fragen kostet nichts, außer beim Anwalt. Ein Anwalt ist teuer, ein guter Anwalt ist unbezahlbar. So jedenfalls die landläufige Meinung. Falsch! Anw...
03. Mai 2024
Die Kündigung eines Wohnungsmietvertrages ist ein Thema, das sowohl für Mieter als auch für Vermieter von großer Bedeutung ist. In diesem Artikel e...