Zum Hauptinhalt springen

Ablösungsrecht in der Familien-WEG: Wer kann Schulden tilgen?

Der beste Anwalt für Mietrecht
Kann ein Wohnungseigentümer die Schulden eines anderen Miteigentümers bezahlen und damit verhindern, dass dessen Wohnung zwangsversteigert wird? Das OLG München bejaht dies für Familien-Eigentümergemeinschaften.
Familie aus Großeltern, Vater und Kinder stehen vor ihrem Elternhaus
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Ausgangspunkt: Eine Familienimmobilie mit Hypothekenbelastung

In diesem Fall hatten Eltern ihr Wohnhaus in zwei Eigentumswohnungen aufgeteilt. Sie behielten eine Wohnung für sich, während ihr Sohn die andere Wohnung erhielt. Die Familie lebte also gemeinsam unter einem Dach, rechtlich gesehen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Auf der Wohnung des Sohnes lastete eine Zwangssicherungshypothek. Dabei handelt es sich um ein Grundpfandrecht, das ein Gläubiger im Rahmen der Zwangsvollstreckung eintragen lässt, um seine Forderung abzusichern.

Nach dem Tod des Sohnes schlugen die Eltern das Erbe aus. Die Mutter hatte jedoch bereits zu Lebzeiten des Sohnes die offene Schuld an die Gläubigerin bezahlt. Diese Gläubigerin, eine österreichische Gesellschaft, wurde später liquidiert und im Handelsregister gelöscht. Damit war es unmöglich, von ihr eine Löschungsbewilligung für die immer noch im Grundbuch eingetragene Hypothek zu erhalten.

Das rechtliche Problem: Wem steht die Hypothek jetzt zu?

Der neue Eigentümer der belasteten Wohnung beantragte beim Grundbuchamt die Löschung der Zwangssicherungshypothek. Seine Argumentation: Die Schuld sei bezahlt, die Gläubigerin habe dies bestätigt, also müsse die Hypothek aus dem Grundbuch verschwinden.

Das Grundbuchamt lehnte ab. Die vorgelegten Unterlagen seien nicht ausreichend. Es fehle eine formgerechte Löschungsbewilligung oder ein Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit.

Der zentrale Streitpunkt lag in einer komplexen rechtlichen Frage: Was passiert eigentlich, wenn ein Familienmitglied die Schulden eines anderen bezahlt? Erlischt die Forderung dann einfach, oder geht sie auf den Zahlenden über?

Die entscheidende Unterscheidung: Dritter oder Ablösungsberechtigter?

Das Oberlandesgericht München musste klären, in welcher Eigenschaft die Mutter gezahlt hatte. Diese Unterscheidung hat weitreichende Folgen.

Wenn ein unbeteiligter Dritter die Schuld eines anderen bezahlt, erlischt die Forderung. Die Hypothek würde dann zur sogenannten Eigentümergrundschuld, die dem Grundstückseigentümer selbst zusteht.

Anders liegt der Fall, wenn der Zahlende ein Ablösungsrecht hat. Nach dem Gesetz kann jeder, der Gefahr läuft, durch eine Zwangsvollstreckung ein Recht an einem Gegenstand zu verlieren, den Gläubiger befriedigen. In diesem Fall erlischt die Forderung nicht, sondern geht auf den Zahlenden über. Ebenso verhält es sich mit der Hypothek.

Die Entscheidung: Ablösungsrecht für Familienmitglieder in der WEG

Das OLG München stellte fest: Die Mutter hatte ein Ablösungsrecht. Sie war nicht nur irgendeine Dritte, sondern Miteigentümerin in derselben Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Gericht betonte dabei besonders die familiäre Konstellation.

Bei einer Zwangsversteigerung der Wohnung des Sohnes hätte ein fremder Käufer in die Eigentümergemeinschaft eintreten können. Das hätte die familiäre Struktur der Gemeinschaft zerstört. Das Gericht argumentierte, dass gerade bei Wohnungseigentümergemeinschaften, die nur aus Familienmitgliedern bestehen, ein berechtigtes Interesse besteht, das Eindringen Fremder zu verhindern.

Die Konsequenz dieser Auslegung: Mit der Zahlung der Mutter ist die Forderung nicht erloschen. Vielmehr sind sowohl die Forderung als auch die Hypothek auf die Mutter übergegangen. Sie ist jetzt Inhaberin der Zwangssicherungshypothek.

Die praktischen Folgen für den Löschungsantrag

Weil die Hypothek auf die Mutter übergegangen ist, kann sie nicht einfach gelöscht werden. Für eine Löschung wäre nun die Bewilligung der Mutter als neuer Rechtsinhaberin erforderlich. Diese Bewilligung lag dem Gericht jedoch nicht vor.

Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde daher zurück. Gleichzeitig ließ es aber die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zu. Der Grund: Die Frage, ob einem Wohnungseigentümer bei der Zwangsvollstreckung in einen anderen Anteil ein Ablösungsrecht zusteht, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden worden.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil ist besonders relevant für Familien, die gemeinsam Wohnungseigentum besitzen. Wenn Sie als Eltern, Geschwister oder andere Familienangehörige zusammen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft leben, haben Sie nach dieser Entscheidung ein wichtiges Instrument zum Schutz Ihrer Gemeinschaft.

Zahlt ein Familienmitglied die Schulden eines anderen, um eine Zwangsversteigerung abzuwenden, erlischt die Schuld nicht einfach. Der Zahlende erwirbt vielmehr die Forderung und das Sicherungsrecht. Das kann sinnvoll sein, um Zeit zu gewinnen oder familieninterne Regelungen zu treffen. Es bedeutet aber auch, dass die Hypothek im Grundbuch bestehen bleibt, bis der neue Inhaber die Löschung bewilligt.

Für die Praxis empfiehlt es sich daher, bei solchen Zahlungen genau zu dokumentieren, wer in welcher Eigenschaft zahlt. Wer vermeiden möchte, dass die Hypothek auf ihn übergeht, sollte die rechtlichen Rahmenbedingungen vorab mit einem Rechtsanwalt besprechen.


Grundsätze des Urteils

  • In einer Wohnungseigentümergemeinschaft aus Familienmitgliedern steht dem Miteigentümer ein Ablösungsrecht nach § 268 Abs. 3 BGB zu
  • Die Ablösung führt zum Übergang von Forderung und Hypothek auf den Zahlenden, nicht zum Erlöschen
  • Zur Löschung der Hypothek ist dann die Bewilligung des neuen Rechtsinhabers erforderlich
  • Die Formvorschriften des Grundbuchrechts bleiben strikt einzuhalten
  • Die Rechtsfrage ist noch nicht höchstrichterlich geklärt

Quelle: OLG München, Beschluss vom 24.11.2025 – 34 Wx 244/25

Kontaktieren Sie uns!

Die Informationen auf unserer Website dienen ausschließlich zu Informationszwecken. Sie ersetzen keine rechtliche Beratung, die auf Ihre individuelle Situation zugeschnitten ist. Bitte beachten Sie auch, dass sich die Rechtslage durch neue Gesetze und Urteile jederzeit ändern kann.

Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.


Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Portrait der besten Anwälte von Essen

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.


Unsere digitale Kanzlei

Kind sitzt im Chefsessel und bedient ein Mobiltelefon

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.

Erfahrungen & Bewertungen zu JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

kostenlose Ersteinschätzung

Wartebereich der JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.


Das könnte Sie auch interessieren:

30. August 2025
Die deutsche Mietpreisbremse ist seit zehn Jahren in Kraft – doch viele Mieter wissen nicht, wie sie funktioniert oder dass sie bis 2029 verlängert...
31. August 2025
Vermieter können die Untervermietung an ukrainische Geflüchtete nicht grundsätzlich verweigern. Das LG Berlin stärkt Mieterrechte bei humanitären M...
24. Oktober 2025
Auch wenn zunächst unklar ist, welche Gesellschaft den Maklervertrag eingehen soll, kann später durch das Verhalten der Beteiligten eindeutig besti...