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Wenn Mieter zur Schlüsselgewalt greifen: Fristlose Kündigung bei unbefugtem Türverschluss

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Wer als Mieter eigenmächtig Türen zu nicht angemieteten Bereichen verschließt, riskiert die fristlose Kündigung seines Mietverhältnisses. Dies entschied kürzlich das Amtsgericht Breisach in einem Urteil, das grundlegende Fragen zum Zugangsrecht von Vermietern innerhalb ihrer Immobilien klärt.
Vorhängeschloss
Bild von Ben Kerckx auf Pixabay

Der Fall: Streit um Zugangsrechte im eigenen Haus

Die Eigentümer eines Reihenhauses in Breisach erwarben im Juli 2022 eine Immobilie, in der ein Mieter bereits seit 2015 ein Zimmer bewohnte. Zwischen den neuen Eigentümern und dem Mieter entwickelte sich ein Streit über die Nutzungsrechte der übrigen Räumlichkeiten des Hauses.

Der Konflikt eskalierte, als der Mieter die Tür des Windfangs abschloss und den Eigentümern dadurch den Zugang zum ersten Obergeschoss ihres eigenen Hauses verwehrte. Trotz mehrfacher Aufforderung, einen Schlüssel auszuhändigen oder das Schloss wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen, verweigerte der Mieter dies. Schließlich mussten die Eigentümer einen Schlüsseldienst beauftragen, um wieder Zugang zu erhalten.

Die zentrale rechtliche Streitfrage

Das Gericht musste entscheiden, ob das eigenmächtige Verschließen einer Tür zu nicht angemieteten Räumen durch einen Mieter eine so schwerwiegende Pflichtverletzung darstellt, dass sie eine fristlose Kündigung rechtfertigt.

Der Mieter argumentierte, er habe die Tür nur verschlossen, nachdem die Vermieter angeblich sein Eigentum entsorgt hätten. Er sei auch bereit gewesen, die Eigentümer ins Gebäude zu lassen. Zudem berief er sich auf gesundheitliche Probleme, die ihm einen Umzug unmöglich machten.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Amtsgericht Breisach gab den Vermietern Recht und entschied, dass das Mietverhältnis durch die fristlose Kündigung beendet wurde. Das Gericht betonte:

Das Verschließen der Windfangtür stellt eine schwerwiegende Verletzung der Rechte der Vermieter dar, da der Mieter ihnen die Nutzung der in ihrem Eigentum stehenden, nicht vom Mieter angemieteten Räume entzog.

Besonders kritisch bewertete das Gericht, dass der Mieter trotz mehrfacher Aufforderungen nicht bereit war, den Vermietern einen Schlüssel auszuhändigen. Das Gericht stellte klar:

"Den Vermietern steht das Recht auf Nutzung der ihnen zur Eigennutzung zur Verfügung stehenden Räume uneingeschränkt und unabhängig von der Bereitschaft des Mieters zu, sie einzulassen."

Die besondere Situation des Mieters

Trotz der Rechtmäßigkeit der Kündigung berücksichtigte das Gericht die gesundheitliche Situation des Mieters. Ein psychiatrisches Gutachten hatte bestätigt, dass der Mieter an einem komplexen psychiatrischen Störungsbild leidet, das seine Fähigkeit mit Veränderungen umzugehen stark einschränkt.

Der Sachverständige bestätigte, dass ein erzwungener Umzug mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer ernsthaften Verschlimmerung des Krankheitsbildes führen würde. Dies könnte bis hin zu schweren depressiven Zuständen, sozialem Rückzug und Verlust der Fähigkeit zur Selbstversorgung reichen.

Aufgrund dieser besonderen Härte gewährte das Gericht dem Mieter eine großzügige Räumungsfrist bis zum 30. April 2025, obwohl die fristlose Kündigung an sich sofort wirksam war.

Grenzen der Mitwirkungspflichten

Interessant ist auch, dass das Gericht in seinem Urteil klarstellte, dass ein Mieter bei Erhaltungsmaßnahmen (wie etwa Trocknungsarbeiten nach einem Wasserschaden) keine aktive Mitwirkungspflicht hat. Der Mieter muss solche Maßnahmen lediglich dulden, ist aber nicht verpflichtet, aktiv bei der Durchführung zu helfen, etwa indem er selbst seine Gegenstände ausräumt.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil hat mehrere wichtige Konsequenzen für Mieter und Vermieter:

  1. Für Mieter: Sie dürfen nicht eigenmächtig Zugangsbarrieren zu Bereichen errichten, die nicht zu Ihrer Mietsache gehören. Selbst wenn Sie Konflikte mit Ihrem Vermieter haben, rechtfertigt dies nicht, diesem den Zugang zu seinem Eigentum zu verwehren.
  2. Für Vermieter: Ihnen steht grundsätzlich das uneingeschränkte Nutzungsrecht an allen nicht vermieteten Teilen Ihrer Immobilie zu. Bei erheblichen Verstößen gegen dieses Recht kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.
  3. Bei gesundheitlichen Einschränkungen: Auch bei rechtmäßigen Kündigungen können besondere gesundheitliche Umstände zu verlängerten Räumungsfristen führen. Gerichte wägen hier zwischen den Interessen des Vermieters und der besonderen Härte für den Mieter ab.
  4. Bei Instandhaltungsmaßnahmen: Mieter müssen zwar Erhaltungsmaßnahmen dulden, sind aber nicht zu aktiver Mithilfe verpflichtet. Die notwendigen Ausräumarbeiten sind vom Vermieter zu erbringen.

Dieses Urteil verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig klare Absprachen zwischen Mietern und Vermietern sind. Besonders bei Teilanmietungen eines Hauses sollten die Nutzungsrechte an gemeinschaftlichen Flächen und nicht vermieteten Bereichen eindeutig geregelt sein, um Konflikte zu vermeiden.


Quelle: AG Breisach, Urteil vom 17.10.2024 - 1 C 45/23

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