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WEG-Recht: Grenzen der Beschlussrechte der Eigentümermehrheit

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Die Frage, ob Blumenkästen an der Außen- oder Innenseite eines Balkons angebracht werden dürfen, sorgt in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) immer wieder für Diskussionen. Ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts München bringt nun Klarheit und zeigt, welche Rechte und Pflichten Eigentümer haben.
Mikrofon in einer Versammlung

Der Sachverhalt: Streit um Blumenkästen an der Balkonfassade

In einem Wohngebäude aus den 1970er Jahren hatten die Eigentümer seit Jahrzehnten ihre Blumenkästen an der Außenseite der Balkone angebracht. Das Gebäude verfügte von Anfang an über entsprechende Halterungen für diese Zwecke.

Die Situation änderte sich, als eine Eigentümerin im Erdgeschoss ohne Genehmigung bauliche Veränderungen an ihrem Balkon vornahm. Sie ließ den Balkon verglasen und die Außenfassade mit einer etwa 30 cm dicken Wärmedämmung verstärken. Diese Maßnahmen führten dazu, dass bei Regenfällen Wasser von den Blumenkästen der darüberliegenden Wohnung auf den neu geschaffenen Sims tropfte und nicht mehr wie zuvor ins Erdreich abfließen konnte.

In einer Eigentümerversammlung wurde daraufhin mehrheitlich beschlossen, dass sämtliche Blumenkästen künftig nur noch an der Innenseite der Balkone angebracht werden dürfen. Außerdem wurde festgelegt, dass Eigentümer, die gegen diese Regelung verstoßen, für etwaige Schäden oder Verschmutzungen am Gemeinschaftseigentum aufkommen müssen.

Eine Eigentümerin klagte gegen diesen Beschluss. Sie argumentierte, dass die jahrzehntelange Praxis der außen angebrachten Blumenkästen einer Vereinbarung gleichkomme, die nicht durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss geändert werden könne. Zudem würde eine Anbringung auf der Innenseite die nutzbare Balkonfläche erheblich einschränken.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Amtsgericht München (Urteil vom 12.11.2024, Az: 1293 C 12154/24 WEG) entschied in seinem Urteil differenziert:

  1. Teilweise Nichtigkeit des Beschlusses: Der Teil des Beschlusses, der eine verschuldensunabhängige Haftung für den "verursachenden Eigentümer" vorsah, wurde für nichtig erklärt. Eine durch Mehrheitsbeschluss aufgestellte Hausordnung kann keine Haftung ohne Verschulden vorsehen.
  2. Gültigkeit der Anbringungsregelung: Der Teil des Beschlusses, der die Anbringung von Blumenkästen nur noch an der Innenseite erlaubt, wurde hingegen als rechtmäßig angesehen.

Das Gericht stellte klar, dass die bloße Tatsache, dass das Haus ursprünglich mit Halterungen für außen hängende Blumenkästen ausgestattet war und diese Praxis 40 Jahre lang bestand, keinen dauerhaften Anspruch begründet. Es ist keine Vereinbarung zwischen den Eigentümern zustande gekommen, die nur mit Zustimmung aller geändert werden könnte.

Rechtliche Grundlagen der Entscheidung

Das Gericht stützte seine Entscheidung auf mehrere wichtige rechtliche Grundsätze:

  1. Gemeinschaftliches Eigentum: Balkonaußenwände und -brüstungen sind zwingend gemeinschaftliches Eigentum (gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 WEG).
  2. Mehrheitsentscheidungen bei Hausordnungen: Die Bestimmungen einer Hausordnung können grundsätzlich durch Mehrheitsbeschluss geändert werden.
  3. Ordnungsmäßige Verwaltung: Ein Beschluss, der dazu dient, Verschmutzungen und Schäden am Gemeinschaftseigentum zu verhindern, hält sich im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung.

Das Gericht betonte, dass die Eigentümergemeinschaft bei der Regelung des gemeinschaftlichen Eigentums weitergehende Befugnisse hat als bei der Nutzung des Sondereigentums.

Wichtig: Eine durch Mehrheitsbeschluss aufgestellte Hausordnung ist insoweit nichtig, als sie eine Haftung für Schäden durch den Verursacher ohne Verschulden vorsieht.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie in einer Wohnungseigentümergemeinschaft leben, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  1. Keine automatischen Rechte durch langjährige Praxis: Auch wenn eine bestimmte Nutzung (wie das Anbringen von Blumenkästen an der Außenseite) seit Jahren praktiziert wird, begründet dies allein noch kein dauerhaftes Recht.
  2. Mehrheitsbeschlüsse zu Hausordnungen sind bindend: Die Gemeinschaft kann durch Mehrheitsbeschluss Regelungen zur Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums festlegen oder ändern.
  3. Grenzen der Haftungsregelungen: Eine verschuldensunabhängige Haftung kann nicht durch einfachen Mehrheitsbeschluss eingeführt werden.
  4. Schutz des Gemeinschaftseigentums: Beschlüsse, die dem Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums dienen, werden von Gerichten in der Regel als ordnungsmäßige Verwaltung angesehen.

Die Entscheidung zeigt, dass die Eigentümergemeinschaft einen erheblichen Gestaltungsspielraum bei der Regelung des gemeinschaftlichen Eigentums hat. Gleichzeitig stellt das Gericht klar, dass es Grenzen gibt, insbesondere wenn es um die Haftung für Schäden geht.

Für Wohnungseigentümer ist es daher ratsam, Beschlüsse der Eigentümerversammlung genau zu prüfen und gegebenenfalls rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen, wenn sie mit bestimmten Regelungen nicht einverstanden sind.

Quelle: Amtsgericht München, Urteil vom 12.11.2024, Az. 1293 C 12154/24 WEG (ZMR 2025, 173)

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