Beweislast beim Immobilienkauf: Wer muss den Zugang der Kaufpreisfälligkeit nachweisen?

Der Fall: Streit um Verzugszinsen nach verspäteter Kaufpreiszahlung
In dem vom Landgericht München I entschiedenen Fall hatten die Kläger als Erben eines Immobilienverkäufers Verzugszinsen in Höhe von rund 28.000 Euro von der Käuferin gefordert. Der ursprüngliche Kaufvertrag über einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück in Berlin sah vor, dass der Kaufpreis von 700.000 Euro innerhalb von zehn Tagen zu zahlen sei, nachdem der Notar den Beteiligten schriftlich mitgeteilt hatte, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Nach Ansicht der Kläger war diese Mitteilung am 30.07.2019 per E-Mail und per Brief an die Käuferin versandt worden. Die Zahlung erfolgte jedoch erst ein Jahr später, am 30.07.2020. Die Käuferin bestritt jedoch, jemals eine solche Mitteilung erhalten zu haben.
Die zentrale Rechtsfrage: Wer trägt die Beweislast?
Die entscheidende Frage in diesem Rechtsstreit war: Wer muss beweisen, dass die Mitteilung über die Kaufpreisfälligkeit tatsächlich zugegangen ist?
Das Gericht stellte klar: Die Beweislast für den Zugang der Fälligkeitsmitteilung liegt beim Verkäufer. Als den Klägern günstige Tatsache oblag es ihnen, den Zugang der Mitteilung bei der Beklagten zu beweisen.
Die Beweisschwierigkeiten bei Brief und E-Mail
Die Kläger konnten lediglich nachweisen, dass eine E-Mail und ein Brief mit der Fälligkeitsmitteilung am 30.07.2019 abgesendet wurden. Für den tatsächlichen Zugang beim Empfänger konnten sie jedoch keine Beweise vorlegen.
Das Gericht stellte in seinem Urteil folgende wichtige Grundsätze klar:
"Aus der Absendung eines Briefes ergibt sich kein Beweis des Zugangs. Bei gewöhnlichen Briefen rechtfertigt die Absendung allein nicht den Anscheinsbeweis für den Zugang."
Auch für elektronische Kommunikation gilt:
"Auch der Nachweis des Versands einer E-Mail lässt nicht den Schluss und damit den Beweis des Zugangs der E-Mail beim Empfänger zu."
Das Gericht führte aus, dass bei gewöhnlichen Briefen ein Verlust während des Zustellvorgangs oder das Einstecken in einen falschen Briefkasten nach der Lebenserfahrung nicht auszuschließen sei. Bei E-Mails könne es durch Fehler in der Datenleitung oder den verwendeten Programmen dazu kommen, dass die Nachricht nicht in der Mailbox des Empfängers ankommt.
Das Urteil: Klage abgewiesen
Das Landgericht München I wies die Klage ab, da die Kläger den Zugang der Fälligkeitsmitteilung nicht beweisen konnten. Damit entfiel die Grundlage für den Anspruch auf Verzugszinsen. Bemerkenswert war auch, dass die Kläger trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen waren.
Der Geschäftsführer der beklagten Käuferfirma hatte in seiner Anhörung glaubhaft dargelegt, dass er erst durch einen Gerichtsvollzieher von der Kaufpreisfälligkeit erfahren hatte. Zudem sprach für die Käuferin, dass in der Zeit zwischen der angeblichen Fälligkeitsmitteilung und der Zahlungsaufforderung durch den Gerichtsvollzieher – immerhin fast ein Jahr – keinerlei Zahlungsaufforderungen durch die Verkäuferseite nachgewiesen werden konnten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Das Urteil hat wichtige praktische Konsequenzen für alle, die eine Immobilie verkaufen oder kaufen:
- Für Verkäufer: Versenden Sie Fälligkeitsmitteilungen immer nachweisbar, zum Beispiel per Einschreiben mit Rückschein oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur. Die bloße Absendung per Brief oder E-Mail reicht für den Beweis des Zugangs nicht aus.
- Für Käufer: Achten Sie auf Fälligkeitsmitteilungen und reagieren Sie zeitnah darauf. Sollten Sie allerdings tatsächlich keine Mitteilung erhalten haben, kann der Verkäufer Ihnen gegenüber keinen Zahlungsverzug geltend machen, solange er den Zugang nicht beweisen kann.
- Bei der Vertragsgestaltung: Erwägen Sie, im Kaufvertrag alternative Fälligkeitsregelungen zu vereinbaren, die weniger streitanfällig sind. Beispielsweise könnte die Fälligkeit an ein objektives Ereignis geknüpft werden, das ohne Mitteilung eintritt und für beide Seiten transparent ist.
Das Urteil zeigt eindrücklich, wie wichtig eine sorgfältige Dokumentation und Kommunikation bei Immobiliengeschäften ist. Sowohl Verkäufer als auch Käufer sollten auf nachweisbare Zustellungen achten und im Zweifelsfall rechtlichen Rat einholen.
Quelle: LG München I, Urteil vom 03.03.2025 - 22 O 11152/24 (nicht rechtskräftig; Ber: OLG München, Az. 32 U 1114/25)
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