Baumängel blockieren Rücktrittsrecht des Bauträgers


Der Fall: Streit um ein Einfamilienhaus
Im Februar 2018 schlossen die Parteien einen Bauträgerkaufvertrag über ein schlüsselfertiges Einfamilienhaus zum Preis von 497.000 Euro. Der Bauträger verpflichtete sich vertraglich, das Haus zu errichten und nach vollständiger Fertigstellung den Besitz zu übergeben. Die Besitzübergabe war dabei an die Zahlung der vorletzten Kaufpreisrate in Höhe von rund 73.132 Euro gekoppelt.
Als es zur Übergabe kommen sollte, weigerten sich die Käufer, diese Rate zu zahlen. Der Grund: Sie bemängelten verschiedene Bauleistungen und stellten stattdessen eine Bankbürgschaft in gleicher Höhe. Diese akzeptierte der Bauträger jedoch nicht und trat im Juli 2019 vom Vertrag zurück. Er machte geltend, die Käufer seien mit der Zahlung in Verzug geraten und hätten zudem eigenmächtig verschiedene Gewerke an andere Handwerker vergeben.
Die Käufer hingegen behaupteten, der Bauträger habe ihnen die Übergabe des Hauses gar nicht ordnungsgemäß angeboten. Außerdem bestünden erhebliche Mängel am Objekt.
Die zentralen Streitpunkte
Der Rechtsstreit drehte sich um folgende Kernfragen:
- War der Rücktritt des Bauträgers wirksam?
- Durften die Käufer die Zahlung verweigern wegen der Baumängel?
- Konnte die Bankbürgschaft die Zahlung ersetzen?
Während der Bauträger mit seiner Klage die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Vertrag für zulässig erklären lassen wollte, verteidigten sich die Käufer mit dem Hinweis auf bestehende Mängel und fehlende Übergabebereitschaft.
Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG München wies die Berufung des Bauträgers zurück und gab den Käufern Recht. Die Richter stellten klar:
Ein Rücktritt des Unternehmers vom Vertrag wegen Verzugs des Bestellers mit der Zahlung einer Kaufpreisrate scheidet aus, wenn sich der Unternehmer seinerseits in Gläubigerverzug befindet, weil er die von ihm geschuldete und verlangte Gegenleistung (hier: Besitzübergabe) nicht anbietet.
In seiner Begründung hob das Gericht drei wesentliche Punkte hervor:
- Die Ausübung eines Rücktrittsrechts kann treuwidrig und damit unwirksam sein, wenn sich der Erklärende widersprüchlich verhält. Genau das war hier der Fall, da der Bauträger einerseits vom Vertrag zurücktreten, andererseits aber auch die Zahlung verlangen wollte.
- Der Bauträger befand sich in Gläubigerverzug, weil er die Übergabe des Hauses nicht ordnungsgemäß angeboten hatte. Das OLG stellte klar, dass er kein Recht hatte, die Übergabe von der "Anwesenheit der tätigen Handwerker" abhängig zu machen.
- Ein mangelbedingtes Leistungsverweigerungsrecht der Käufer besteht auch dann, wenn Abschlagszahlungen laut Vertrag nach Baufortschritt fällig werden. Dabei liegt die Beweislast für die Vertragsgemäßheit der Leistung beim Bauträger.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Die Entscheidung stärkt die Rechte von Immobilienkäufern erheblich und zeigt klare Grenzen für das Rücktrittsrecht von Bauträgern auf:
- Mängel berechtigen zur Zahlungsverweigerung: Als Käufer dürfen Sie bei erheblichen Mängeln die Zahlung von Kaufpreisraten verweigern. Der Bauträger kann in diesem Fall nicht wirksam vom Vertrag zurücktreten.
- Beweislast liegt beim Bauträger: Nicht Sie als Käufer müssen beweisen, dass Mängel vorliegen, sondern der Bauträger muss nachweisen, dass seine Leistung vertragsgemäß ist.
- Ordnungsgemäßes Übergabeangebot erforderlich: Der Bauträger muss die Immobilie ordnungsgemäß zur Übergabe anbieten, bevor er Zahlungen verlangen kann. Fehlt dieses Angebot, befindet er sich im Gläubigerverzug.
- Bankbürgschaft kann je nach Vertrag ausreichend sein: Obwohl in diesem Fall die Bürgschaft vom Bauträger nicht akzeptiert wurde, kann eine Bankbürgschaft unter bestimmten Umständen eine Alternative zur direkten Zahlung darstellen.
Diese Entscheidung verdeutlicht: Bei Streitigkeiten um Bauträgerkaufverträge kommt es auf das Zusammenspiel von Zahlungspflichten und Leistungserfüllung an. Bauträger können sich nicht einseitig durch einen Rücktritt vom Vertrag lösen, wenn sie selbst ihre Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen.
Für Immobilienkäufer bedeutet das mehr Sicherheit und eine stärkere Position bei Auseinandersetzungen über Baumängel. Es lohnt sich, bei Problemen mit der Bauqualität rechtlichen Rat einzuholen und die eigenen Rechte zu kennen.
Quelle: OLG München, Beschluss vom 09.08.2022, Az.: 20 U 3568/21 Bau
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